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4.7 Insassenzahl

Als Hauptquelle für die Ermittlung der Insassenzahlen wurden die Dokumente der Erfassungs- und Verteilungsabteilung der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) des NKWD-MWD herangezogen. Für die meisten Lager unter Zentralverwaltung und für die Territorialverwaltungen bzw. -abteilungen lässt sich mithilfe dieser Unterlagen ein recht detailliertes Bild der Gesamtzahl der Häftlinge als auch einzelner Häftlingsgruppen (gegliedert nach Alter und Geschlecht, Nationalität, Staatsangehörigkeit, Straftatbestand u. a.) zeichnen. Im Bestand 9414 des Staatsarchivs der Russischen Föderation ist der Hauptteil dieser Dokumente systematisch erfasst und wird in einem gesonderten Abschnitt des Verzeichnisses 1 "Erfassungs- und Verteilungsabteilung" geführt. Ein Teil der Dokumente, die in gesonderten Akten geführt werden, sind im zweiten Teil des genannten Verzeichnisses zusammengefasst. Die Insassenzahlen von Lagern unter Territorialverwaltung wurden in der Regel aus den Kodeakten ermittelt, da diese Verwaltungen als selbstständige Einheiten in den Berichten der Erfassungs- und Verteilungsabteilung (URO) der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) nicht auftauchen.

Der Gesamtumfang der statistischen Angaben zu Insassenzahlen ist gigantisch. Seit 1938 wurden diese nicht nur monatlich sondern alle zehn Tage erfasst. Deshalb mussten sich die Autoren in Abhängigkeit davon, wie lange ein Lager bestand, auf eine gewisse Auswahl an Daten beschränken. Für die meisten Lager werden die Insassenzahlen per 1. Januar jeden Jahres angegeben. Außerdem werden besondere Daten vermerkt, die mit dem Krieg (Stichdaten 1. Juli 1941 und Mitte 1942) und Stalins Tod (Stichdaten Mitte 1953) zusammenhängen. Wenn ein Lager bereits nach anderthalb Jahren geschlossen wurde, so wurden bei den Insassenzahlen weitere zwei bis drei Stichdaten berücksichtigt. Zu den Lagern unter Territorialverwaltung konnten in den Quellen nur in wenige Informationen gefunden werden, deshalb wurden hier in der Regel alle vorhandenen Daten aufgeführt. Wenn keine Angaben zu Insassenzahlen zum Stichtag 1. Januar gefunden werden konnten, wurde die durchschnittliche Häftlingszahl für den Januar des entsprechenden Jahres angegeben (der so genannte Monatsdurchschnitt).

Einen Sonderfall stellen die Lager der Jahre 1923–1936 dar. Systematisch aufbereitete Dokumente der Erfassungs- und Verteilungsabteilung (URO) der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) vor 1936 sind nicht erhalten, und bis 1930 gab es nicht einmal die Hauptverwaltung der Lager (GULAG). Somit wurden einige Daten aus einer später erstellten tabellarischen Zusammenstellung dieser Abteilung gewonnen, andere aus den nur teilweise erhalten gebliebenen Unterlagen des Produktionssektors, aus Lagerberichten und ähnlichen Dokumenten. Diese Quellen enthalten unterschiedliche Angaben: einige führen Insassenzahlen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf, andere "Monats-", "Quartals-" oder "Jahresdurchschnitte". Für Lager, die für diesen Zeitabschnitt von besonderer Bedeutung sind (wie z.B. das Solowezki-, das Weißmeer-Ostsee-, das Karaganda- oder das Sibirische Lager), wurden wegen der komplizierten Datenrecherche praktisch alle aufgefundenen Angaben zu Insassenzahlen aufgeführt.

Obwohl die Unterlagen der Erfassungs- und Verteilungsabteilung (URO) der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) offensichtlich genau und formalisiert sind, ist deren Auslegung nicht immer einfach. So gab es z.B. Verspätungen bei der Meldung der Insassenzahlen aus den Lagern. In diesen Fällen wurden die Angaben aus einem vorhergehenden, früher datierten Bericht in die Statistik aufgenommen. In den Dokumenten wurde in der Regel dieser Umstand vermerkt; allerdings zeigte eine Gegenüberstellung verschiedener Statistiken, dass das nicht immer der Fall war. Außerdem lassen einige Dokumente offen, ob die angeführten Daten zum Stichtag 1. Januar des entsprechenden Jahres ermittelt wurden oder den Monatsdurchschnitt für den Januar darstellen. In den Fällen, in denen trotz eines Datenabgleichs mithilfe von anderen Dokumenten desselben Zeitraums nicht gelang, diese Frage zu beantworten, wird in den Lagereinträgen ausdrücklich darauf hingewiesen. So werden z.B. Insassenzahlen für den Januar 1944, die zum Stichtag 1. Januar ermittelt wurden, wie folgt vermerkt: "01.01.1944". Wenn nicht zweifelsfrei feststeht, ob es sich um Insassenzahlen zum Stichtag 1. Januar oder um den Monatsdurchschnitt für den Januar handelt, wird das Datum wie folgt angegeben: "01.44".

Je nach Statistik können die Insassenzahlen zu einem bestimmten Zeitpunkt erhebliche Unterschiede aufweisen. Manchmal handelt es sich dabei um einfache Rechenfehler. Eine stichprobenartige Überprüfung der Daten der Erfassungs- und Verteilungsabteilung (URO) der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) zur Gesamtzahl einzelner Häftlingsgruppen ergab, dass in mehr als der Hälfte der Fälle Fehler beim Zusammenrechnen gemacht wurden (siehe hierfür den Beitrag "Territorialverwaltungen…"). Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Mitarbeiter vor Ort kaum qualifizierter waren als die Mitarbeiter des Zentralapparats.

Ein weiterer Grund für Abweichungen ergibt sich daraus, dass verschiedenen Statistiken ohne gesonderten Vermerk unterschiedliche Daten zugrunde gelegt wurden. So enthalten einige nur die Zahl der Inhaftierten, andere führen alle zur Arbeit angestellten "Sonderkontingente" auf. Bei großen Abweichungen gelang es fast immer diese zu klären, indem man die Daten für einen bestimmten Zeitraum miteinander verglich und die tatsächliche Zahl der Gefangenen ermittelte. Wenn sich die Gründe für die Abweichungen nicht klären ließen und diese beträchtlich (10% und mehr) waren, wird in den Fußnoten stets darauf hingewiesen, bei geringeren Abweichungen nur in ausgewählten Fällen. Eine kritische Überprüfung aller Daten hätte deren Abgleich mit Angaben zu Verurteilungen, Zu- und Abgängen sowie Todesfällen von Häftlingen erfordert, das entsprach jedoch nicht der Aufgabenstellung der Verfasser.

Alle Daten, die aus dem Abschnitt "Erfassungs- und Verteilungsabteilung (URO) der Hauptverwaltung der Lager (GULAG)…" des Verzeichnisses 1, Bestand 9414 des Staatsarchivs der Russischen Föderation gewonnen wurden, werden im Feld "Insassenzahlen" einheitlich mit "(URO)" gekennzeichnet (siehe z.B. WARNAWINSKI-ITL). Daten, die aus anderen Quellen stammen (darunter Dokumente derselben Erfassungs- und Verteilungsabteilung, die jedoch in Einzelakten anderer Verzeichnisse aufbewahrt werden), wurden einheitlich gekennzeichnet (siehe 4.11 Quellen).

Es wurde versucht, einen Eindruck vom Anteil bestimmter Häftlingsgruppen an der Gesamtzahl der Gefangenen und von deren Verteilung auf verschiedene Lager zu vermitteln. Zu diesem Zweck wurden ausgewählte Angaben zur Zahl weiblicher Häftlinge, zur Zahl der Verurteilungen "wegen konterrevolutionärer Verbrechen" (und damit verwandter "Verbrechen" wie "sozialgefährliches" oder "sozialschädliches Element"), Verurteilungen zu Katorga-Arbeiten und den Lagern zugewiesenen Arbeitssoldaten aufgenommen. Die diesbezüglichen Zahlen beziehen sich auf Ende 1938, Mitte 1942 und Ende der 1940er bis zu Beginn der 1950er Jahre. In Einzelfällen werden Zahlen genannt, die für ein bestimmtes Lager zu anderen Zeiten charakteristisch waren. Manchmal jedoch mussten sich die Verfasser mit nur einer einzigen Kennziffer zufrieden geben. Um die Angaben unter "Insassenzahlen" nicht zu überfrachten, werden diese Zahlen in den Fußnoten gesondert angeführt, in Einzelfällen im Feld "Zusätzliche Angaben".