"Morgens wachten wir früher auf als gewöhnlich und beobachteten, wie sich jeden Morgen das Tor der Männerzone öffnete und Bahren hinausgetragen wurden. Zuerst waren das Einzelfälle, dann wurden es immer mehr, Dutzende. Wir dachten, man brächte Kranke ins Krankenhaus, aber bald wurde uns klar, dass es Tote waren.
In der Zone war eine geheimnisvolle Epidemie ausgebrochen. Einmal zählten wir hundert Tragbahren. Wir bekamen es mit der Angst zu tun – um unsere Nächsten, die in der Nähe waren, um diese Menschen, Schicksalsgenossen hinter dem nächsten Stacheldraht, und schließlich auch um uns selbst. … Über die Epidemie sagte man uns nichts, aber es war offensichtlich: In der Zone herrschte Flecktyphus.
Wie kam das aber mit dem Typhus? Ganz einfach. Es gab insgesamt ein paar große Frachtschiffe: Dschurma, Dalstroj, Kula und noch zwei. Monatlich wurden hier 30.000 Personen befördert. Und die Transporte vom Festland gingen immer weiter. Nachts schrieen die Gefangenen nach Wasser…. Aber außer Schüssen von den Wachtürmen gab es keine Reaktion. Die Menschen hungerten. Später, als die Epidemie schon in voller Blüte, aber noch nicht erkannt war, verheimlichten die Häftlinge den Tod ihrer Pritschennachbarn, um so lange wie möglich von ihrer Brotration profitieren zu können."
N. V. Surovceva: Kolymskie vospominanija. Moskau 1989. S. 254 ff.
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