"...Ich beende das Manuskript zu 'ROSA MIRA' in Freiheit, im goldenen herbstlichen Garten... und dennoch – die letzten Seiten meines Manuskripts verberge ich, so wie ich die ersten verbarg... und nach wie vor fehlt mir die Gewissheit, dass das Buch nicht vernichtet wird...."
"Nach welchem Muster wurde der Mensch von diesem allumfassenden pädagogischen System geschaffen? Wie sah sein Ideal aus?
Das System erzog ihn vor allem zur Kühnheit, da der Staat Kühnheit im Kampf mit seinen Feinden benötigte und dies auch im zukünftigen Kampf um die Weltmacht wichtig war. Man förderte seinen Willen, der jedoch dem Staat und der Quasikirche untergeordnet und fest in der Verwirklichung ihrer und ausschließlich ihrer Richtlinien sein sollte. Man förderte das Kameradschaftsgefühl, Kameradschaft aber nur jenen gegenüber, die unerschütterlich und standhaft die Sache des jeweiligen Staates und der jeweiligen Quasikirche vertraten. Es wurde zur Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit erzogen, wobei die Ehrlichkeit von besonderer Art war: Diese Ehrlichkeit sollte dazu führen, dass der Mensch, ohne zu zögern, den Kameraden, Freund, Vater verriet und ein beliebiges ihm anvertrautes Geheimnis offen legte, wenn diese auch nur in Ansätzen den Interessen des Staates oder den Anordnungen der Quasikirche widersprachen. Es wurde ein schöpferisches Verhältnis zur Arbeit begünstigt – alles um der Effektivität der Arbeitsprozesse willen, im Namen von Quasikirche und Staat. Es wurde der Wissensdurst belohnt, jedoch wurde dieser kanalisiert und in eine Richtung geleitet, die den technischen Fortschritt und die Herausbildung einer bestimmten Ideologie gewährte. All dies wurde gespickt mit einem sorgsam kultivierten, forcierten, gedungenen, brennenden Hass dem Feind gegenüber, wobei jeder als Feind betrachtet wurde, der anders als die Quasikirche dachte. Resultat war eine entwickelte, energische, lebenslustige, zielstrebige, willensstarke Persönlichkeit, die auf besondere Art und Weise ehrlich und idealistisch war. Dabei blieb sie bis ins Grausame mitleidlos, geistig beschränkt, unwissend auf dem Gebiet der Religion, sie wertete oft Gemeinheit als Heldentat und Unmenschlichkeit als Mut und Heroismus. Es wurde der vollendete Typus eines selbstbewussten Fanatikers geschaffen, der sich einbildete, sein Staat sei der beste aller Staaten, sein Volk sei das talentierteste aller Völker, seine Quasikirche sei der Born absoluter Wahrheit, seine Ideologie sei absolut richtig und sein Führer unfehlbar – unfehlbar nicht nur ex cathedra, sondern während seines gesamten Lebens – und alles andere sei Schund, historischer Abfall, ein absolutes Hindernis für das Leben, das ohne Mitleid ausgemerzt werden müsse."
Auszüge aus dem 1. und dem 2. Band der "Rosa Mira", der demnächst im Verlag Vega-e.k. erscheinen wird.
|