biographie

 
   
 
 

Marija

Maximowna

Galper

 
 

Mittlerweile war es Herbst 1936 und Mama wollte nach all dem, was sie durchgemacht hatte, Urlaub in Gursuf machen. Sie kam noch gar nicht richtig zu sich, als sie in der Zeitung den Prozessbericht über das Terrorzentrum des "trotzkistisch-sinowjewschen Blocks" las, zu dem mein Vater gehörte. Angeblich hatte er mit einem Revolver einen Anschlag auf Woroschilow verübt. Mama raste nach Moskau, wo sie erneut aus der Partei ausgeschlossen wurde und ihren Arbeitsplatz verlor. Alle Bekannten und Kollegen, mit denen sie zusammengearbeitet hatte und befreundet war, grüßten sie nicht mehr und wechselten bei einer Begegnung die Straßenseite. Eine Ausnahme bildeten die Deutschen. Sie versuchten ihr irgendwie zu helfen, sie zu trösten, sie kamen und sagten ihr, dass sie ihr glauben würden.

...

Im Laufe vieler Jahre saßen im KarLag 8.000 Frauen – junge, schöne, intelligente Frauen. Die Lagerverwaltung "wachte" verstärkt über die Moral dieser Frauen, von denen jede ein anderes Temperament hatte. Nicht alle hielten das erzwungene Gelübde der Ehelosigkeit aus. Männer gab es im Lager in der Wache, in den Werkstätten und als Fahrer der landwirtschaftlichen Maschinen u.s.w. Man traf sich auf den Toiletten und ähnlichen Orten. Sie wurden gefangen, mit Karzer bestraft, die Bestrafungen wurden bei Überprüfungen angekündigt. Abtreibungen wurden auch mit Karzer bestraft. In den Karzer kamen auch jene, die etwas wussten, aber nicht denunzierten. Die Frauen wurden zur Entbindung in die "Mütterabteilung" eingewiesen. Später wurden die Kinder in Lager geschickt und die Mütter wieder den allgemeinen Arbeiten zugeteilt. Die Lagerverwaltung führte einen ständigen und erfolglosen Kampf gegen die Natur.

Natalja Jakowlewna Galper in den Erinnerungen an ihre Mutter Marija Galper. Moskau, 1989. Archiv NIPZ "Memorial".

   
 

1905

In Litauen als Tochter eines Angestellten geboren.

1914

Umzug in die Ukraine.

1922

Rückkehr nach Litauen, im selben Jahr Weiterreise nach Deutschland.

Bis 1931

Arbeitet für acht Jahre in der Sowjetischen Handelsvertretung in Deutschland.

1931-1936

Ist hauptsächlich als Übersetzerin für den Internationalen Gewerkschaftsbund tätig.

Frühjahr 1936

Parteiausschluss und Kündigung der Arbeitsstelle wegen Verhaftung des ersten Mannes, Pawel A. Lipschiz. Ihr Vorgesetzter erreicht eine Wiederaufnahme in der Partei und des Arbeitsverhältnisses.

Herbst 1936

Erneuter Parteiausschluss und Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Oktober 1936

Mit Hilfe des ehemaligen Kollegen Karl Appel aus dem Internationalen Gewerkschaftsbund findet sie Arbeit als Dreherin in einem Moskauer Maschinenbaubetrieb.

25.10.1937

Verhaftung in Moskau, wird zunächst der Spionage beschuldigt wegen der Briefe des zweiten Mannes, eines deutschen Kommunisten, sowie der konterrevolutionären Tätigkeit. Am Ende Beschuldigung wegen Nichtanzeige des ersten Mannes, von dem sie seit 1931 getrennt war. Ihre Tochter kommt ins Kinderheim.

08.02.1938

Verurteilung durch einen Sonderausschuss beim NKWD nach dem so genannten Buchstabenparagraphen TschSIR (Familienmitglied eines Vaterlandsverräters) zu acht Jahren Lagerhaft in einem Besserungsarbeitslager (ITL).

1938-1946

Haftverbüßung im Lagergebiet Karaganda; allgemeine Arbeiten in der Landwirtschaft.

1946-1948

Lebt mit der 17-jährigen Tochter in Kimrach. Arbeitet als Dreherin in einer Fabrik.

Frühjahr 1948

Tod der Schwester Dora und Verhaftung des Schwagers in Mitschurinsk. Kündigt die Arbeitsstelle und fährt nach Mitschurinsk, um sich ihres verwaisten Neffen anzunehmen.

1948-1950

Arbeitet als Dreherin in einem Betrieb in Mitschurinsk.

1950-1956

Lebt und arbeitet in Samarkand.

02.04.1956

Rehabilitierung.

1956

Umzug mit dem Neffen nach Smolensk zum Vater des Jungen, der dort nach der Entlassung aus der Haft lebte. Heirat.

1959

Umzug der ganzen Familie zur Tochter nach Moskau.

Mai 1989

Lebt in Moskau.

Lagerhaft in

KARAGANDA-ITL

     
 

Fotos, Illustrationen und Dokumente

Galper, M.M. - Moskau, 1989Marija GalperGalper, M.M. - Rehabescheid 1956  

Galper, M.M. - Moskau, 1989

Marija Galper

Galper, M.M. - Rehabescheid 1956