biographie

 
   
 
 

Viktor

Stürmer

 
 

Vor dem Abmarsch zum Steinbruch leierte die Wachmannschaft ihren gewohnten Spruch herunter. Nach einem zügigen Marsch von sechs Kilometern kamen wir bei der Arbeitsstätte an, wo man zwölf Stunden arbeiten mußte. Nach vollbrachter Fron hieß es wieder sechs Kilometer zurückmarschieren. Das Arbeitsgebiet war abgesteckt, beim Übertreten der Begrenzungslinie wurde sofort geschossen. Zum Mittagessen gab es eine Scheibe Brot und eine dünne Maisgrütze.

...

Der ewige Hunger war unsagbar qualvoll. Man versuchte mit der Vernunft gegen ihn anzukämpfen. Man probierte es, indem man das Brot auf einmal aufaß, dann wieder in kleinen Portionen, daß man viel Wasser dazu trank, dann wieder keines. Alles half nicht: der Hunger blieb!

...

Im Steinbruch herrschte die Überzeugung, daß es keinen Menschen gäbe, der es länger als sechs Monate bei dieser Schwerarbeit aushielt. Ich habe es immerhin auf vier Monate gebracht. Der körperliche Verfall war aber nicht mehr aufzuhalten. Bald stellte sich eine schwere Dystrophie (Ernährungsstörung) ein; zu dieser kam noch eine Avitaminose mit der dazugehörigen Nachtblindheit. Mit Entsetzen spürte ich, wie sich meine Gelenke deformierten und sich Beulen und Knoten am Körper bildeten. Wankend, unförmig und blind schleppte ich mich durch die Polarnacht.

Viktor Stürmer: Ж-895. Im Straflager zwischen Eismeer und Baikalsee. Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn 1988, S.38/39, 48 und 52.

(Textauszug S. Jenkner)

   
 

06.04.1914

In Karansebesch (Banat) geboren. Besuch der Kunstakademien in Temeschburg und Berlin.
Lehrtätigkeit in Temeschburg an den deutschen "Banatia"-Schulen.

1941

Einberufung und Versetzung an die Ostfront.

1943

Verwundung, wird aus dem eingekesselten Stalingrad ausgeflogen.

1947

Verhaftung in Kronstadt (Siebenbürgen), Untersuchungshaft in Konstanza.
Verurteilung von einem sowjetischen Militärgericht wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Zwangsarbeit.

1947 - 1955

Deportation in die Sowjetunion und anschließende Haftverbüßung in Lagern im Nordural, am Amur, an der Angara und am Baikalsee.

1955

Vorzeitige Entlassung nach Rumänien.
Arbeitet als Buchillustrator und Bühnenbildner, Mitglied des Künstlerverbandes.

1970

Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Zuge der Familienzusammenführung.

1988

Veröffentlichung der Lagererlebnisse im Buch "Ж-895. Im Straflager zwischen Eismeer und Baikalsee" mit eigenen Illustrationen.

06.10.1990

Stirbt im Alter von 76 Jahren in Ebermannstadt nach schwerer Krankheit an den Spätfolgen eines Lagerleidens.

Lagerhaft in

OB-ITL

     
 

Fotos, Illustrationen und Dokumente

Stuermer. Viktor: Graphik    

Stuermer. Viktor: Graphik

    

Die Veröffentlichung der Graphiken und des Buchauszugs erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Westkreuz Verlags Berlin/Bonn.